Herbst 2020 (Updates s. unten)
Die Afrikanische Schweinepest verbreitet sich mit Hilfe von Wildschweinen in einer Geschwindigkeit von 200 km pro Jahr. Demnach müsste sie im Landkreis Oder-Spree nächstes oder übernächstes Jahr aus Polen eindringen, wenn es keine Zäune zur Abwehr von Wildschweinen gäbe. Theoretisch.
Zäune
Der Landkreis Oder-Spree kontrolliert täglich 42 Kilometer lange Zäune, um Wildschweine aus Polen daran zu hindern in den Landkreis einzudringen. Diese Zäune sind eine gute ethische Lösung, um das Virus von Wildschweinen in Deutschland fernzuhalten.
Doch wie sicher sind diese Zäune? Schauen wir uns hierzu die Grenzübergänge an. Wenn nachts wenig Zugverkehr herrscht, schaffen es die Wildschweine über die Eisenbahnschienen nach Deutschland. Wildschweine aus Polen könnten den Weg somit in diese Richtungen wandern:
Tantow - Szczecin-Gumience
Küstrin-Kietz - Kostrzyn
Frankfurt (O) - Kunowice
Guben - Gubin
Forst - Zasieki
Schaffen es die Wildschweine nicht über die Schiene nach Deutschland, könnten sie dafür die Straße wählen. Dafür stehen ihnen zahlreiche Grenzübergänge alleine zwischen Brandenburg und Polen zur Verfügung:
Rosow
Mescherin
Schwedt/Oder
Hohenwutzen
Küstrin/Kietz
Frankfurt Oder Stadtbrücke
Frankfurt Oder Autobahn
Neißemünde, Ortsteil Coschen, Grenzbrücke Neißewelle
Guben Stadtbrücke
Guben, Gubinchen
Forst
Forst Autobahn
Die Sinnhaftigkeit dieser Brücke aus EU-Geldern wurde heiß diskutiert: Die wenig befahrene Brücke von Coschen nach Polen. Auf deutscher Seite idyllisches Dorf. Auf polnischer Seite Natur. Ein bequemer Übergang für Wildschweine. (Foto: Andreas Lippold) |
Die Jagd auf gesunde Populationen, so wie sie im Landkreis Oder-Spree durchgeführt wird, ist unwirksam als Prävention gegen die Afrikanische Schweinepest. Dadurch werden die Ressourcen in vermeintlich wildschweinfreien Zonen freigegeben, die zu überdurchschnittlichen Vermehrungsraten führen. Solche Gebiete werden schneller von Wildschweinen neu besiedelt, als ein Jäger schießen kann. Um ein von der Afrikanischen Schweinepest betroffenes Gebiet vom Virus zu befreien, muss es für 190 Tage durchgehend wildschweinfrei bleiben.
Um diese subjektive Ohnmacht zu überwinden, dass der Mensch nicht mehr mit der Jagd hinterherkommt, denkt man sich immer neue Jagdmethoden aus. Aktuell werden Lebendfallen im Landkreis als neuestes Mittel eingesetzt werden, um noch mehr Wildschweine zu töten.
Warum die Wildschweinpopulation in den vergangenen Jahren so rasant gestiegen ist, hat mehrere Ursachen:
1. Im Jahr 2019 nahm der Maisanbau in Brandenburg um 7 % im Vergleich zum Vorjahr zu. Es wurden 228.600 ha Mais angebaut. Ich denke mehr muss man über dieses Lieblingsfutter von Schweinen überhaupt nicht sagen. Vielleicht noch eins: Im Mais finden die Wildschweine ideale Rückzugsorte. Sie sind dort für den Jäger fast unsichtbar.
2. Die Jagd wird vor allem mit Hilfe von Kirrungen (Lockfütterungen) durchgeführt. Theoretisch dienen Kirrungen nur als Lockmittel. Praktisch fressen Jungtiere davon und werden dadurch ein ganzes Jahr zu früh geschlechtsreif. Daher entsteht der Teufelskreis: vermehrte Jagd - vermehrte Kirrungen - verfrühte Geschlechtsreife - höhere Wildschweinvorkommen.
3. Wird durch die Jagd ein Revier frei, reagieren Wildschweine mit erhöhter Fruchtbarkeit. Sie bringen dann mehr Jungtiere zur Welt. Ein weiterer Teufelskreis entsteht: freie Reviere - erhöhte Fruchtbarkeit - mehr Jungtiere - höhere Wildschweinvorkommen.
4. Klimawandel: Durch die immer häufiger aussetzenden und milder werdenden Winter, erhalten Wildschweine optimale Nahrungs- und Deckungsmöglichkeiten. Eichen- und Buchenmastjahre treten klimabedingt immer häufiger auf.
Die Liste könnte man hier noch viel weiter fortführen. Fakt ist, dass sich aktuell Wildschweine, aufgrund der menschengemachten Bedingungen, optimal ausbreiten können. Ein Ende der Ausbreitung ist derzeit nicht in Sicht. Subjektiv wird das aktuelle Vorkommen von Wildschweinen zumeist als zu hoch eingestuft. Die Landwirte klagen über Ernteausfälle. Gärtner über umgegrabene Gemüsebeete.
Muss der Jäger die Wildschweinpopulation eindämmen?
Ganz klar: Nein! Die Natur reguliert sich von selbst. Wenn der Jäger nicht eingreift, wird es zu einer natürlichen Regulierung kommen. Die Anzahl der Wildschweine wird sinken, wenn sinnvolle präventive Maßnahmen stattfinden.
Aktuelle präventive Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Wildschweinen:
1. Jagd. (seit Jahrzehnten ohne Erfolg)
2. Zäune an der Grenze zu Polen. (ohne Erfolg)
Als Prävention gegen die Afrikanische Schweinepest im Landkreis Oder-Spree sind stattdessen folgende Maßnahmen sinnvoll:
- die Jagd muss auf ein absolutes Minimum reduziert werden, um gesunde Populationen zu erhalten, die durch den fehlenden Jagddruck an weniger Stress leiden und somit ein gutes Immunsystem aufbauen können. Grundsätzlich gilt, das Überlebende von Seuchen den genetischen Widerstand gegen ein Virus erhöhen. Durch ein geschwächtes Immunsystem jedoch, können sich die Tiere leichter infizieren.
- Kirrungen sind im Landkreis komplett einzustellen oder zumindest nur auf einer Höhe von 70cm vorzunehmen (Bachentisch), so dass Frischlinge keinen Zugang dazu haben.
- Tests: bei Fall- und Unfallwild
- Aufklärung: Aufklärungsmaterial zum Thema: "Entsorgung von Schweinefleisch" für den Download im Online-Bereich des Landes und der Landkreise.
- Aufklärende Beschilderung an Autobahnparkplätzen, damit Wildschweine nicht an infizierte Essensreste gelangen
- Elektrozäune beim Maisanbau
- Risikoampel der Universität Vechta: Regelmäßige Werbung bei Schweine-Betrieben dieses Hilfsmittel zu nutzen, um präventiv arbeiten zu können.
- Förderung der natürlichen Fressfeinde in Deutschland:
Wolf
Fuchs
Uhu
Wildkatze
Luchs
- Förderung der natürlichen Fressfeinde in Deutschland:
Wolf
Fuchs
Uhu
Wildkatze
Luchs
Impfstoff
Aktuell liefern sich einige Länder, darunter vor allem China und die USA ein Kopf-an-Kopf Rennen in der Impfstoffforschung. Erste Erfolge können in der Forschung zur Kenntnis genommen werden. Bis es zu einem kommerziellen Impfstoff kommt, werden noch einige Jahre vergehen.
Zum Weiterlesen
Eine weiteres Epidemiethema, zu dem ich ein Buch veröffentlicht habe:
Der Fuchsbandwurm in Deutschland und wie wir ihn ausrotten können von Anja Grabs
Pressebericht vom 27.04.2020
MOZ: Oder-Spree setzt auf Lebendfallen zur Wildschweinjagd
Update am 5. Mai 2020
Pressebericht vom 27.04.2020
MOZ: Oder-Spree setzt auf Lebendfallen zur Wildschweinjagd
Update am 5. Mai 2020
Bei Ratzdorf sind Wildschweinrotten unterwegs. Zwischen Kraftwerk und Mülldeponie in Fürstenberg, kommen Wildschweine über die Oder. Fürstenberg ist nicht eingezäunt in Richtung Oder. Dort wird aktuell mit Vergrämung gearbeitet.
Update am 9. September 2020
Der 1. Fall der Afrikanischen Schweinepest wurde im Landkreis Spree-Neiße festgestellt. Am 10. September 2020 wird der Landkreis Oder-Spree eine Krisensitzung halten.
Update am 21. April 2021
Die ASP existiert im Landkreis Oder-Spree seit 224 Tagen. Es wurden 528 Ausbrüche im Landkreis amtlich bestätigt. 230 Quadratkilometer wurden in vier Gebieten eingezäunt. Im Land Brandenburg gelten 2.400 Quadratkilometer als gefährdetes Gebiet. 2021 wurden 32 Mio. Euro im Haushalt des Landes für Zäune und Unterstützung der betroffenen Landwirte eingestellt. Im Landkreis Oder-Spree gibt es 99 Schweinehalter mit 27.700 Tieren. Das Veterinäramt im Kreis Oder-Spree zeigt sich optimistisch und hofft auf eine Stagnation der Ausbreitung mit Hilfe von Zäunen, Jagd und Fallwildsuche.
Update am 1. Juni 2022
Auf einem Sonderkreistag zum Thema Landwirtschaft des Landkreises Oder-Spree, meldeten sich ausschließlich konventionelle Landwirte zu Wort. Sie verwiesen überwiegend auf die globale Landwirtschaft ohne anzuerkennen, dass sich die Nachfrage nach Regionalität und Biolandwirtschaft in einem Dauertrend im starken Wachstum befinden.
Auf einem Sonderkreistag zum Thema Landwirtschaft des Landkreises Oder-Spree, meldeten sich ausschließlich konventionelle Landwirte zu Wort. Sie verwiesen überwiegend auf die globale Landwirtschaft ohne anzuerkennen, dass sich die Nachfrage nach Regionalität und Biolandwirtschaft in einem Dauertrend im starken Wachstum befinden.