24. Oktober 2015

Krieg in Syrien: Wie lange noch?


In der Kleinstadt Kafranbel innerhalb des von den Rebellen beherrschten Gebietes, leben ein paar hundert Menschen, darunter viele Künstler, die fast täglich friedliche Demonstrationen vor Ort abhalten. Die Stadt gilt als moderat.

von Anja Grabs

Die Rebellen rufen „Allahu Akbar!“ (Gott ist groß!) nachdem die Panzerabwehrrakete ihr Ziel getroffen hat. Dabei handelt es sich nicht um einen Glaubenskrieg, denn „Allahu Akbar“ wird sehr häufig im Islam als Zeichen von Freude, aber auch bei Trauer verwendet.

Es könnte für die Rebellen sehr bald der "point of no return" kommen, also der Punkt an dem es kein Zurück mehr gibt. Denn sie haben in den vergangenen drei Wochen aus unbekannter Herkunft Waffen erhalten. Sehr viele Waffen. Doch sie bekommen gleichzeitig extremen Druck aus der Luft seitens Russlands auf den sie mangels Luftabwehrraketen nicht antworten können. Kann denn Russland den Krieg alleine aus der Luft gewinnen? Die Antwort lautet: nein.

Angefangen hat alles mit dem arabischen Frühling, der in Tunesien (weitgehend erfolgreich) begonnen und sich dann auf Libyen (halbes Land durch die frei gewählte Regierung in Tobruk) ausgebreitet hat. Außerdem gehört dazu Ägypten (kaum Verbesserung), Bahrain (durch Saudis unterdrückt) und nun in Syrien (unbeendet), wobei sich in den vergangenen drei Wochen die Fronten in Syrien massiver als je zuvor bekämpfen. Im Jahr 2011 wurden friedliche Proteste der syrischen Bevölkerung von der Polizei blutig niedergeschlagen. Sie forderten Demokratie ein.

Wer kämpft in Syrien?

Freie Syrische Armee (Nordwesten, circa ein Viertel der Landesfläche)
Sie kämpft für eine Demokratie und besteht fast ausschließlich aus sunnitischen, moderaten (knappe Mehrheit) und konservativen Rebellen und zu circa einem Zehntel aus der terroristischen al-Nusra-Front, die stark konservativ bis radikal ist und mit der sich die Rebellen mangels Unterstützung aus dem Westen zusammengeschlossen haben. Es kämpfen auch Frauen. Sie verwenden unter anderem eine Taktik aus dem 1. Weltkrieg: Tunnel. Sie greifen hauptsächlich das Assad-Regime an. Würde die Freie Syrische Armee den Krieg gewinnen, müsste die al-Nusra-Front einen Teil der Macht erhalten.
Bekommt diese beispielsweise das Gesundheitsministerium, wird sie sich gegen Rauchen, Alkohol und Drogen einsetzen. Erhält sie hingegen das Bildungsministerium, könnte es passieren, dass sie sich dafür einsetzt, dass Mädchen keinen Zugang zu Bildung erhalten. 

Assad-Regime (Südwesten, circa ein Viertel der Landesfläche)
Zuerst sollen die Rebellen besiegt werden damit das Regime gerettet ist. Unterstützt wird das Assad-Regime von Russland, der iranischen Regierung, der libanesischen Hisbollah und schiitische Milizen aus dem Irak. Für die Versorgung werden Tunnel gebaut. Zuletzt gab es einen Pyrrhussieg in der Stadt Hama: Beim Geländegewinn verlor man mindestens 50 Panzer.

Russland (Waffenlieferungen und Luftangriffe)
Russland unterstützt das Assad-Regime um seinen äußerst wichtigen Marinestützpunkt in Tartus zu erhalten. Nur mit diesem Stützpunkt bleibt Russland eine Supermacht, weil es dadurch den ganzen Mittelmeerraum beherrschen könnte. Derzeit schickt Russland dutzende Bomber täglich, die hauptsächlich die Rebellen und nur zu einem sehr geringen Teil den IS angreifen.

IS – Islamischer Staat (Osten, circa die Hälfte der Landesfläche)
Er kämpft gegen alle und hat keine Verbündete. Derzeit kämpft er hauptsächlich gegen die Rebellen, die im Moment als Hauptfeind agieren. Er verwendet unter anderem Tunnel. Die eingenommene Landesfläche besteht hauptsächlich aus Wüste.

Kurden (Türkisches Grenzgebiet)
Ihr Ziel ist die Unabhängigkeit von "Westkurdistan“ (Rojava) in Syrien als Teil von Kurdistan. Ein kleiner Teil der Rebellen kämpft gemeinsam mit den Kurden. Es kämpfen auch Frauen. Hauptsächlich greifen sie den IS an.

Wie lange der Krieg noch in Syrien geht? 
Gefühlt und zum jetzigen Zeitpunkt reden wir von einem Zeitraum zwischen weiteren mehreren Monaten bis maximal fünf Jahren.

Merkels Strategie
Als Putinversteherin und aufgrund ihrer opportunistischen Politik, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einigen Wochen gesagt, dass Gespräche mit Assad nicht ausgeschlossen werden dürfen. Dies hört sich nach einer diplomatischen Lösung an. Man könnte sogar sagen, dies ist die pazifistische Lösung schlechthin. Denn in einem Streit sehen wir das „mal miteinander reden“ als konstruktive gute Lösung an.
Doch was bedeutet das in einem Krieg? Mit Assad reden bedeutet nicht, dass man eine diplomatische friedliche Lösung findet, denn die gibt es in Syrien nicht. Die Fronten sind vorhanden, für Assad gibt es kein Zurück oder ein freiwilliges Ausscheiden aus dem Krieg. Im Klartext bedeutet „mit Assad reden“, dass sich Deutschland auf die Seite von Assad stellt, denn das Gespräch, sollte es überhaupt stattfinden, kann nur zu einem einzigen Ergebnis führen: Nämlich dass es für das Regime kein Kriegsgericht geben wird.

Hinweis: Alle Zahlen sind geschätzt. Es gibt keine offiziellen Statistiken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen