22. Mai 2015

Müssen wir die Natur vor sich selbst schützen?



Hässlich oder ästhetisch? Abgestorbene Brutbäume durch Kormorane.
(Foto: Wojsyl)


von Anja Grabs

Die Antwort auf die Frage, ob wir die Natur vor sich selbst schützen müssen lautet oft „Ja.“ und sie kommt nicht nur aus den Reihen der Menschen, die sich nie mit Naturschutzfragen auseinandersetzen sondern auch von Naturschützern selbst. Als besonders starkes Symbol werden oft Bäume verwendet, aber es gibt auch andere Beispiele.

Beispiel Biber fällt Bäume
Der Biber fällt Bäume. Das ist allgemein bekannt. Redet man jetzt über den Baumschutz länger als es manch einer aushalten kann, dann kommt oft der Satz: „Biber dürfen Bäume fällen und wir nicht oder wie?“ darauf folgt ein kurzes sarkastisches Lachen und man kommt wieder auf das Thema zurück. Es handelt sich immer um eine rhetorische Frage auf die ich aber gerne mal antworten möchte: Ja, der Biber darf Bäume fällen! Er ist der größte Landschaftsgärtner unter den Tieren und gestaltet sich seinen Lebensraum aktiv selbst, dabei kann er ganze Gebiete unter Wasser setzen, welche dadurch zu neuem Lebensraum für andere Arten werden. Moore wurden dadurch schon auf ganz natürliche Weise wieder renaturiert. Meist fällt der Biber Bäume, die aus der Basis wieder neu austreiben, wie Weiden, Pappeln und Eschen. Seine Nachkommen profitieren dann wiederum von diesen neuen Baumbeständen.

Beispiel Kormoran tötet Bäume
Kormorane nisten in Brutkolonien gemeinsam von wenigen Dutzend bis zu über mehreren Tausend Exemplaren in Baumbeständen im Uferbereich und besonders gerne auf Inseln. Im Landkreis Oder-Spree gibt es mindestens zwei kleine Inseln, die zum Brüten von Kormoranen genutzt werden. Das Problem aus der Sicht einiger Menschen: Der Baumbestand in dem die Kormorane brüten stirbt immer vollständig ab, da dieser vom Kot der Kormorane vollkommen eingekalkt wird. Wenn der Mensch solche Inseln nun touristisch erschließen will lautet ein Argument: Durch den Kormoran sind die Bäume vollkommen abgestorben! Wir sollten sie von dort vergrämen damit sich die Bäume erholen können und wir die Insel touristisch erschließen können. Außerdem sieht das doch furchtbar aus, diese abgestorbenen Bäume! Ob das jetzt ästhetisch ist, darüber lässt sich streiten, denn auch abgestorbene Bäume und vor allem tote Bäume die noch stehen, bieten einen eigenen Lebensraum für zahlreiche Tierarten. Wenn lokale Baumbestände durch den Kormoran eingehen dann ist das ein natürlicher Vorgang. Verlässt die Kolonie das Gebiet aus irgendeinem Grund, dann kann es an diesem Ort auch wieder Bäume geben. Mein Tipp: Erschließen Sie das Gebiet touristisch indem Sie die Insel nicht betreten und vom anderen Ufer die Kolonie mit dem Fernglas beobachten!

Beispiel Fische töten Amphibien
Die europäische Wasserrahmenrichtlinie sieht vor, die Gewässer in einen guten Zustand zu versetzen. Hierfür werden seit Jahren unter anderem Altarme wieder angeschlossen. Dazu kann auch gehören, dass man ein stehendes Gewässer mit einem Altarm anschließt. Haben Naturschützer jetzt dieses stehende Gewässer als Amphibienbiotop ausgemacht, kann schon mal die Forderung lauten, dieses Gewässer nicht mit dem Altarm zu verbinden, da sonst Fische in das Gewässer eindringen können und den Laich der Amphibien fressen. Müssen wir Amphibienlaich vor Fischen schützen? Die Antwort lautet nein. Denn wir können uns nicht eine Wunschtierart aussuchen und diese dann vor ihren Prädatoren (Räuber) schützen. Wo fangen wir an, wo hören wir auf? Und was ist mit den Fischarten, die auf der Roten Liste stehen und sich unter anderem von diesem Amphibienlaich ernähren? Wir könnten dann soweit gehen, dass wir uns Lieblingsbakterien aussuchen und diese vor ihren Feinden schützen. Das ist nicht unsere Aufgabe.

Beispiel Sukzession lässt Wildbienen verschwinden
Ehemalige Truppenübungsplätze bieten eine sehr hohe Anzahl an Wildbienenarten, da sie ideale Lebensbedingungen bieten: Warme, trockene Böden mit niedrigen Kraut- und Halbstrauchpflanzen. Greift man in dieses Gebiet nicht weiter ein findet eine Sukzession statt: Der Boden wird durch Laubfall und abgestorbene Pflanzen mit Nährstoffen angereichert. Es folgt zuerst eine Verbuschung (Offenland) die dann in einen Wald übergeht. Die Wildbienen verschwinden aus dem Gebiet. Muss man die Fläche künstlich offen halten durch regelmäßiges Mähen oder Beweidung damit die Wildbienen dort existieren können? Auch das kann mit nein beantwortet werden. Denn laut dem Mosaik-Zyklus-Konzept existieren alle Sukzessionsstadien nebeneinander. Dabei werden durch Störungen in der Natur die Entwicklungsstadien wieder zurückgesetzt. Stirbt ein Baum ab und fällt um, dringt wieder Licht auf den Boden: es entsteht ein neuer „Mini“ Lebensraum.

Wir müssen eine Wildnis zulassen und der Natur ihren Raum geben, sich selbst zu zerstören und auch wieder zu erneuern. Dabei dürfen wir uns nicht als „Wunschartenschützer“ verstehen indem wir uns eine Lieblingstier- oder pflanzenart raussuchen und diese dann vor allen tödlichen Einflüssen schützen. Ein Gebiet schützen wir am besten indem wir keine Eingriffe tätigen. Um positive Prozesse zu beschleunigen können wir sicher einiges tun, wie zum Beispiel Neophyten (fremdländische Pflanzen) oder Schadstoffe aus einem Gebiet herausnehmen oder Gewässer in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen.

Warum selbst Naturschützer nicht immer diese Meinung vertreten ist klar: Der Mensch steht an oberster Stelle in der Hierarchie. Wir haben den Planeten so sehr unter Kontrolle, dass wir uns mittlerweile darauf einigen müssen, dass die jetzige Eiszeit in der wir uns gerade befinden beendet ist. Wir befinden uns eigentlich in einem neuen Zeitalter, das lediglich global anerkannt werden muss: Das Anthropozän (das menschlich gemachte Neue Zeitalter). Es ist daher vollkommen klar, dass es uns sehr schwer fällt eine vom Menschen unbeeinflusste existierende Wildnis anzuerkennen, in der Prozesse ablaufen auf die wir keinen Einfluss haben. 

2. Mai 2015

Grabs verlässt schweren Herzens den Naturschutzbeirat

Wildbiene
(Foto: Anja Grabs)

"Die Frage, warum der Mensch die Natur schützen muss, ist philosophisch und existenziell." Anja Grabs


Nach Ablauf der fünfjährigen Berufung im Naturschutzbeirat des Landkreises Oder-Spree, werde ich ihn diesen Monat auf eigenen Wunsch verlassen. Grund ist meine Wahl in den Kreistag Oder-Spree im vergangenen Jahr, dessen Mandat eine von mir gewollte Unabhängigkeit einfordert.


Leider habe ich keinen Einfluss darauf, wer für mich in den Naturschutzbeirat einziehen wird. Ich war bisher die erste und einzige Frau im Beirat und würde mir wünschen, dass nach mir ebenfalls eine Geschlechtsgenossin einzieht. 

Ich möchte mich beim Umweltamt für die sehr gute Zusammenarbeit bedanken. Ich war nur beratend tätig, wurde aber immer ernst genommen. Es gab in den fünf Jahren lediglich einen Fall in dem ich mich über einen Beschluss geärgert habe. Hierbei ging es um einen vom Beirat befassten Beschluss, der aussagte, dass wir gegen den Abschuss von Kormoranen durch einen Fischer (der auch Hobbyjäger ist) in einem Naturschutzgebiet waren. Das Umweltamt hatte dennoch die Ausnahmegenehmigung zum Abschuss erteilt. Ich denke mit einem Negativerlebnis in fünf Jahren, kann man in dieser Funktion sehr gut leben.

Am besten haben mir die Außentermine gefallen: Moorwanderung und Besuch von ökologischen und konventionellen Landwirten, um nur einige zu nennen. Außentermine sind für die Weiterbildung des Beirates essenziell und bringen die meisten Erkenntnisse. Wir hatten immer mindestens zwei Außentermine im Jahr durchgeführt.

Ich bedanke mich auch bei meinen Kollegen und insbesondere bei unserem Vorsitzenden Herrn Dr. Schulz, der nie müde wurde aktuelle Debatten anzuregen und immer schlichtend und professionell mit viel Erfahrung auf alle Beteiligten einwirkte. Die Hauptaufgabe des Naturschutzbeirates ist die Beratung der Umweltbehörde in Konfliktfällen zwischen Mensch und Natur unter Einhaltung des Bundesnaturschutzgesetzes. Wir haben an der Baumschutzsatzung sowie an der Naturdenkmalverordnung des Landkreises mitgearbeitet. Voraussetzung ist ein möglichst unterschiedliches Fachwissen der einzelnen Beiräte, welches bei mir der Wildbienenschutz ist.

Ich bleibe dem Landkreis weiterhin als Naturschutzhelferin erhalten und stehe den Bürgerinnen und Bürgern gerne in allen Fragen rund um Natur- und Umweltschutz zur Verfügung. In meiner neuen Funktion im Kreistag kann ich nun auch politischen Einfluss ausüben.