Insektenwände, die gern auch als „Wildbienenhotels“
bezeichnet werden, spielen keine Rolle im Artenschutz bei Wildbienen, so Prof.
Dr. Holger H. Dathe im Gespräch mit der Naturschutzbeirätin Anja Grabs.
Der Entomologe (Insektenkundler) war bis 2010 Direktor des
Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg, welches eine der
großen Sammlungen von Wildbienen weltweit beherbergt. Als Sohn von Heinrich
Dathe, dem langjährigen Tierparkdirektor von Berlin, studierte er zuerst
Biologie an der Humboldt-Universität Berlin, um dann später dort als Dozent das
Fach Tierphysiologie/Verhaltensbiologie zu unterrichten. Zu seinen
wissenschaftlichen Arbeitsgebieten gehört unter anderem der Artenschutz von
Wildbienen mit einem besonderen Augenmerk auf die Maskenbienen (Hylaeus sp.). Im Jahr 2000 verfasste er gemeinsam mit
Christoph Saure die Rote Liste der Bienen des Landes Brandenburg. Die Beiden
stellten insgesamt 383 Arten für Berlin und Brandenburg fest, das sind rund 70
% der aus Deutschland insgesamt bekannten 550 Arten. Diese große Anzahl weist
deutlich auf eine hohe ökologische Bedeutung dieser Tiere für die Erhaltung der
Vielfalt von Wildpflanzen hin, denn sie tragen wesentlich zu deren Bestäubung
bei.
Anja Grabs interessiert sich insbesondere für den
praktischen Wildbienenschutz. Sie organisierte 2009 eine Fotokartierung von
Wildbienen in Brandenburg für Naturfreunde (www.wildbienen.blogspot.de).
Kritisch beobachtet sie seit Jahren die Versuche von
Naturschützern, etwas für die Wildbienen zu tun. In den meisten Fällen werden
dazu Insektenwände an Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen wie auch
im Privatbereich aufgestellt. „Insektenwände sind eine nützliche Maßnahme – für
den Menschen“, so Dathe. Sie bieten einzigartige Möglichkeiten zur eigenen
Beobachtung. Auf einprägsame Weise kann so die Motivation gefördert werden,
sich intensiver mit Wildbienen auseinanderzusetzen. Ohne Zweifel sind diese
künstlichen Nistwände wichtig für die Umweltbildung. Im direkten Schutz von
bedrohten Wildbienenarten aber, spielen sie keine Rolle. Im Bundesgebiet gelten
derzeit 52 % der Wildbienenarten als bestandsgefährdet, und 25 Arten sind
direkt vom Aussterben bedroht. In die Nistwände gehen nur einige der
zahlreichen Arten, und das sind meist häufige Kulturfolger. Ungefähr drei
Viertel aller Arten in Deutschland nisten im Boden. Das wesentlichste Mittel
zum Schutz nützlicher Insekten ist der Biotopschutz und allgemeine
Umweltschutz.
Während es für Schmetterlingskundler gut organisierte
Plattformen gibt, in die man auch als Laie problemlos einsteigen und sich am
Monitoring beteiligen kann, wird es für Wildbienenfreunde schon schwieriger, da
zur genauen Artfeststellung von Wildbienen die Beobachtung in der Natur nicht
ausreicht. Die Zahl der Arten ist groß, viele sind körperlich klein und
unterscheiden sich nur an wenig deutlichen Merkmalen. Für eine sichere
Identifikation muss man die meisten Tiere, mit Ausnahme der Hummeln und weniger
anderer Arten, unter einem Mikroskop untersuchen. Um die Tiere einzufangen, zu
töten und zu präparieren ist eine amtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich.
Auch die Schaffung einer eigenen Vergleichssammlung wäre hilfreich. Anders als
bei Schmetterlingen und Käfern gibt es für aktive Sammler von Wildbienen jedoch
keine Weiterbildungen, etwa durch örtliche Vereine, so dass man sich sein
Wissen autodidaktisch aneignen muss.
Das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut in
Müncheberg bietet hier eine Anlaufstelle für Freizeitforscher. Eine
Bildbestimmung wie bei Faltern ist für Bienenarten kaum möglich, und auch in
die Bestimmungstabellen muss man sich erst einarbeiten. Die Hauptmethode bei
der Identifikation von Bienen besteht im Vergleichen mit sicher bestimmten
Exemplaren. In dem Institut erhält man nicht nur Zugang zu der großen
Wildbienensammlung, man kann darüber hinaus auch vorhandene Mikroskope sowie
Bestimmungsliteratur aus der Bibliothek vor Ort nutzen. Wenn man sich am
Monitoring von Wildbienen beteiligen möchte, kann man sich gerne an das
Institut in Müncheberg wenden (www.senckenberg.de).
Derzeit hat die internationale Naturschutzorganisation IUCN von Brüssel aus
eine europaweiten Vernetzung von Schutzmaßnahmen für Bienen eingeleitet.
Wer Freude an der Naturbeobachtung hat, gern Naturmotive
fotografiert und sich bilden möchte, wird am Aufstellen von Insektenwänden
profitieren. Viel wichtiger für die wilden Bienen selbst sind der Verzicht auf
Herbizide sowie das Umwandeln von monotonen Rasenflächen in artenreiche Wildblumenwiesen durch ein- oder zweimaliges Mähen im Jahr, so waren sich die
beiden Liebhaber der Wildbienen einig.
Prof. Dr. Holger H. Dathe vor einem Teil der Wildbienensammlung im SENCKENBERG Deutsche Entomologische Institut |
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