Bekämpft man Misteln, vernichtet man damit auch alle Arten, die unmittelbar von ihnen abhängig sind. Zum Beispiel den Mistel-Glasflügler (Syanthedon loranthi). (Foto: Siga) |
Der NABU Münster ließ verlauten, dass Misteln zunehmend die Streuobstbestände bedrohen und so kam auch im Landkreis Oder-Spree die Frage auf, ob es bei uns einen Handlungsbedarf gibt. Laut dem NABU Bundesfachausschuss Streuobst, gibt es in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern, Baden-Württemberg, Saarland und Rheinland Pfalz massenhafte Ausbreitungen. Lokal kommen flächendeckende Befalle vor, welche die Streuobstwiesen in ihrem Bestand gefährden sollen. Und auch im Land Brandenburg beobachtet man eine zunehmende Verbreitung der Mistel, die vor wenigen Jahrzehnten noch seltener anzutreffen war.
Ökologie der Misteln
Zunächst gilt es festzustellen, dass Misteln nicht jeden Baum zum absterben bringen. Sie ist ein Halbschmarotzer und gilt als Parasit. Parasiten verfolgen nicht das Ziel ihre Wirte zu töten, weil dies einem Suizid gleichkäme. Dies passiert eher ausversehen, weil die Bäume eh geschwächt sind. Es wäre also abzuklären, wie alt die Streuobstbestände, von denen berichtet wird, bereits sind. Handelt es sich um über 100 Jahre alte Apfelbäume, dann haben diese Bäume bereits ihr "Rentenalter" erreicht, da sie unter guten Bedingungen ca. 150 Jahre alt werden können. Streuobstbestände zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie Bäume unterschiedlichen Alters haben.
Blick auf die Misteln
Der Mensch sieht sich als hierarchisch höchstes Wesen an, welches die Natur einerseits beherrscht und andererseits die Natur auch beherrschen WILL. Dies geht soweit, dass er denkt, er muss die Natur vor der Natur selbst schützen. Bekämpft also die Natur (die Mistel) die Natur (den Baum), dann wird nach Lösungen gesucht. Diese Herangehensweise ist falsch. Der Mensch muss die Natur nicht vor der Natur bewahren oder retten. Das schafft die Natur auch ohne den Menschen. Wir gehen ja auch nicht nach Afrika, sperren alle Löwen in Käfige ein und füttern sie mit veganem Fleischersatz. Die Natur DARF die Natur bekämpfen und die Menschen müssen das aushalten (lernen). Somit sollten wir bei den Misteln niemals von einer "Plage" reden oder von einer "Gefahr". Wer Streuobstbestände pflegt, muss nun keine Ängste haben, dass seine ganzen Bestände jetzt von Misteln vernichtet werden.
Misteln werden für viel Geld auf Weihnachtsmärkten verkauft. Da kostet ein einzelner Zweig gerne fünf bis zehn Euro. Warum nicht die Misteln verkaufen und sich damit Geld verdienen? Dieses saisonale Weihnachtsgeschäft könnte das Erntegeschäft von Obst im Sommer und im Herbst ergänzen. Es ist alles nur eine Frage der Ansicht.
Bekämpfung
Eine Bekämpfung von Misteln ist nur dann notwendig, wenn es um finanzielle Einbußen geht. Beispiel: Lebt jemand von dem Verkauf von Obst, ist also finanziell davon abhängig und verfolgt das Ziel soviel Ernte-Erträge wie möglich zu haben, dann kann eine Bekämpfung der Mistel erfolgen (oder man sucht nach Alternativen). Die Bekämpfung ist äußerst einfach: Im Winter, wenn die Obstbäume beschnitten werden (meist Januar oder Februar), werden die Misteln einfach am Stamm abgebrochen. Danach treibt die Mistel neu aus, bildet aber in diesem Jahr noch keine Beeren und kann sich somit nicht auf andere Bäume ausbreiten. Dieser Vorgang muss jährlich wiederholt werden und wird die Mistel stark schwächen. Ein Zurückschneiden ins Holz, wie es oftmals empfohlen wird, schwächt den Baum vermutlich genauso stark, wie der Mistelbefall selbst. Zumal dem Baum dann ein Ast fehlt, der mit Obst abgeerntet werden könnte.
Handelt es sich jedoch um eine Streuobstwiese, die ein Verein unterhält, um Artenschutz zu betreiben und dem es nicht so wichtig ist, wieviele Kilogramm Obst er jedes Jahr verkauft, dann ist die Bekämpfung unangebracht. Wird nämlich eine Streuobstwiese aus Artenschutzgründen angelegt, dann gehört die Mistel zum Artenerhalt dazu und sollte damit auch nicht bekämpft werden. Die Mistel ist ja nicht nur eine Art, sondern sie unterhält viele weitere Arten: die Vögel ernähren sich von ihren Beeren im Winter (während Obstbäume keine Nahrung mehr bieten) und die Insekten profitieren von ihrem Nektar. Zahlreiche Insektenarten, darunter eine Rüsselkäferart: der Mistel-Spitzmausrüssler, sind ausschließlich von Misteln abhängig und können daher in der Biodiversität der Misteln dazugerechnet werden.
Zukunft
Die Natur ist nicht statisch. Wenn Obstbäume ständig und immer wieder von Misteln befallen werden, werden sie sich über die nächsten Jahrhunderte diesbezüglich etwas einfallen lassen. So sind bereits heute europäische Eichen und Rotbuchen "mistelfest" und können von diesen nicht befallen werden. Auch Birnen lassen sich nicht so gut von ihnen parasitieren, so dass bei Streuobstwiesen, die stark von Misteln befallen sind, vermehrt Birnenbäume zum Einsatz kommen könnten, um den Arbeitsaufwand des Mistelentfernens im Winter zu reduzieren.
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