HENNIGSDORF - Am Morgen des 8. Juli sprang ein Flüchtling im Übergangswohnheim Stolpe-Süd in Hennigsdorf aus dem Fenster des 2. Stocks. Zunächst lag er auf der Intensivstation eines Berliner Krankenhauses, konnte jetzt aber glücklicherweise auf eine andere Station verlegt werden.
Ein Mitbewohner berichtet, dass der Verzweifelte vor seinem Haus einen Polizeiwagen habe halten sehen. Aus Angst vor einer Abschiebung habe er panikartig sein Zimmer verlassen. Er habe mehrfach gesagt, dass er sich eher umbringen würde als abgeschoben zu werden. Bereits dreimal zuvor sei die Polizei gekommen, um ihn abzuholen, zuletzt am 22. Juni um 4 Uhr morgens. Und dies, obwohl nach Aussagen der Rechtsanwältin die Frist für eine Abschiebung nach Spanien Anfang Juni dieses Jahres abgelaufen sei. Mit solchen unrechtmäßigen Aktionen nimmt die Ausländerbehörde in Kauf, dass Menschen aus Verzweiflung ihr Leben aufs Spiel setzen. Darüber hinaus versetzt die permanente Polizeipräsenz die zum Teil traumatisierten Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft unnötig in Angst und Panik und steht in eklatantem Widerspruch zu einer Willkommenskultur, die viele Engagierte in Hennigsdorf aufzubauen versuchen.
Wir kennen den Schwerverletzten als einen ruhigen Menschen. Er kommt regelmäßig zum Deutschunterricht, zu den monatlichen Treffen der Initiative "Willkommen in Oberhavel" und besucht den Gottesdienst der örtlichen Kirchengemeinde. Kürzlich hat sich eine mögliche berufliche Perspektive für ihn aufgetan. Aber in den letzten Wochen lebte er in großer Angst vor einer Abschiebung nach dem Dublin-Verfahren.
Das Dublin-Verfahren, auf das sich die europäischen Länder geeinigt haben, sieht vor, dass Asylsuchende in dem Land Asyl beantragen müssen, in dem sie zuerst Fuß auf den europäischen Kontinent gesetzt haben. Dies führt dazu, dass Flüchtlinge in großer Unsicherheit leben und jahrelang von Land zu Land umherirren müssen. In Ländern wie Polen, Ungarn, Bulgarien und der Slowakei müssen sie Inhaftierungen, rassistische Übergriffe und soziales Elend fürchten, in Ländern wie Italien und Spanien ein Leben auf der Straße ohne jegliche soziale Absicherung. Deshalb wird das Verfahren von vielen Menschen, Hilfsorganisationen und Kirchen kritisiert: das Dublin-Verfahren zerstört Menschenleben. Menschen sind keine Objekte, die man beliebig hin- und herschieben darf. Das Dublin-Verfahren muss außer Kraft gesetzt werden - sofort.
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