Gosen-Neu Zittau

14. Februar 2019

Kleine Anfrage: Baumschutz im Landkreis Oder-Spree

Unsachgemäßer Kahlschlag vom Umweltamt des Landkreises Oder-Spree in Auftrag gegeben.
Gosen-Neu Zittau, Februar 2019


Ich habe dem Landrat am 25. Oktober 2018 eine Kleine Anfrage zum Thema "Baumschutz im Landkreis Oder-Spree" gestellt. Für solche Anfragen hat der Landrat 14 Tage Zeit, um eine Antwort zu formulieren. Leider habe ich die Antwort erst am 14. Februar 2019 und somit dreieinhalb Monate später erhalten. Eine Entschuldigung für diese enorm verspätete Antwort gab es nicht. Das Umweltamt ist in letzter Zeit leider mit unsachgemäßen Baumpflegearbeiten aufgefallen.

Dies war meine Begründung für die Anfrage:
Nachdem 2010 die Brandenburgische Baumschutzverordnung aufgehoben wurde; liegt die Verantwortung für den Baumschutz bei den Landkreisen und kreisfreien Städten. Unklar ist, ob es dadurch besser oder schlechter um die Bäume steht und inwieweit der Landkreis den Baumschutz optimieren kann.

Frage 1
Wie viele Bäume sind jährlich im Zeitraum der letzten 10 Jahre im Landkreis gefällt und nachgepflanzt worden?

Frage 2
Für wie viele Bäume wurden in den vergangenen zehn Jahren Ausnahmegenehmigungen zur Fällung erteilt?

Frage 4
In welchen Städten und Gemeinden werden die Ausnahmegenehmigungen von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises erteilt? (Bitte auflisten.)

Frage 5
Welche Städte und Gemeinden im Landkreis haben keine Baumschutzsatzung?

Antworten auf 1., 2., 4. und 5.
Leider ist eine Analyse für den Zeitraum von 10 Jahren aus Zeitgründen nicht möglich, aber auch der bearbeitete Zeitraum von 2 Jahren zeigt wesentliche Trends auf.
Die Rechtsgrundlage für die Erteilung von Baumfällgenehmigungen bildet einerseits § 17 des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes hinsichtlich der Fällungen in Alleen sowie die Baumschutzverordnung des Landkreises und Baumschutzsatzungen der Gemeinden für Bäume außerhalb von Alleen.

Eigene Baumschutzsatzungen haben die Städte Eisenhüttenstadt, Beeskow, Fürstenwalde, Storkow, Müllrose und Erkner. Des Weiteren haben das Amt Scharmützelsee, die Gemeinden Woltersdorf, Schöneiche, Grünheide und Steinhöfel sowie das Amt Spreenhagen und das Amt Schlaubetal (nur zum Teil) eigene Baumschutzsatzungen. In den Ämtern Neuzelle und Odervorland sowie den Gemeinden Tauche und Rietz-Neuendorf und der Stadt Friedland gibt es keine Baumschutzsatzung.

Die Baumschutzverordnung des Landkreises gilt nur für den baurechtlichen Außenbereich, hingegen gelten die gemeindlichen Satzungen regelmäßig für den baurechtlichen Innenbereich bzw. für den Bereich von Klarstellungssatzungen und Bebauungsplänen. Von der unteren Naturschutzbehörde werden daher in Städten und Gemeinden nur Fällgenehmigungen erteilt, wenn es sich um Alleebäume handelt. Daraus folgt aber auch, dass Baumschutz in Gemeinden und Ämtern ohne eigene Satzung außerhalb von Alleen praktisch nicht stattfindet. Dieser Mangel wurde erkannt, die Baumschutzverordnung des Landkreises soll unter anderem auch dahingehend überarbeitet werden.

Im Jahr 2017 wurden 166 Fällanträge gestellt. Es wurden Fällgenehmigungen für 988 Bäume erteilt, daraus resultierten Auflagen für 906 als Ersatz zu pflanzende Bäume. In diesen Zahlen sind nahezu ausschließlich Bäume enthalten, die aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gefällt werden mussten. Bei diesen Bäumen beträgt, unter Berücksichtigung der Schäden, das Verhältnis gefällter Baum zu Ersatzpflanzung ungefähr 1:1.

Ca. 10% der Bäume wurden aus Gründen der Bestandspflege gefällt. Dafür werden regelmäßig keine Ersatzpflanzungen gefordert, da es ja gerade der Sinn der Bestandspflege ist, die Wachstumsbedingungen für die verbleibenden Bäume zu verbessern.

Im Jahr 2018 zeigt sich ein ähnliches Bild. Es wurden 153 Fällanträge gestellt, die Fällung von 889 Bäumen wurde genehmigt und 847 Ersatzpflanzungen gefordert. Bäume, die auf Grund von Eingriffen gefällt wurden, sind in dieser Analyse nicht erfasst.

Was sagen jetzt diese Zahlen?

In 2017 betrafen 179 zur Fällung genehmigte Bäume private Anträge bzw. Anträge von Gemeinden. An Kreisstraßen wurden 118 Fällungen genehmigt. Bei Baumschauen an Bundes- und Landesstraßen wurde festgestellt, dass 691 Bäume gefällt werden müssen.

Für 2018 wurden 174 Bäume auf Grund privater und gemeindlicher Anträge genehmigt. Der Kreis hat 131 Bäume zur Fällung beantragt. An Bundes- und Landesstraßen mussten 584 Bäume gefällt werden.

Bezüglich der Ersatzpflanzungen für diese Jahre können noch keine Angaben gemacht werden, weil die Fällgenehmigungen eine Gültigkeit von 3 Jahren haben. Dies gilt auch für die Erfüllung der Auflagen für die Ersatzpflanzungen. Aus der Erfahrung der vorangegangenen Jahre lässt sich aber sagen, dass im privaten Bereich ca. 60 % der Ersatzpflanzungen ohne Probleme erfolgen. Bei ca. 20 % ist ein „gewisser behördlicher Nachdruck“ erforderlich, ca. 15 % werden durch Ersatzzahlungen ausgeglichen und ca. 5 % ehemaliger Antragsteller sind nicht mehr unter ihrer alten Adresse erreichbar, Nachforschungen sind meist erfolglos. Bei Gemeinden werden nahezu alle Bäume ersetzt, wenn auch manchmal mit zeitlichem Verzug. Der Landkreis hat 2017 136 und 2018 140 Bäume gepflanzt (hier wurden teilweise Rückstände aus Vorjahren ausgeglichen.

Das betrifft aber eben nur ca. 1/3 der beantragten Baumfällungen. Ganz anders sieht es aus, wenn man die Baumfällungen durch den Landesbetrieb für Straßenwesen betrachtet. Für das Berichtsjahr 2017 (691 Baumfällungen) weist die Alleebaumstatistik des Landesbetriebes (https://www.ls.brandenburg.de/sixcms/detail.php/bb1.c.258774.de) keine Ersatzpflanzungen im Landkreis aus. Für das Jahr 2018 liegen die Zahlen noch nicht vor.

Im Jahr 2016 wurden 505 m Alleen neu angelegt. Für 2015 sind insgesamt 965 m Alleenabschnitte ausgewiesen. Zwar wirkt die Angabe für das Land Brandenburg in Stück, jedoch bei den Landkreisen in Metern, verwirrend, aber man kann diese Zahlen ja „zurückrechnen“.

Wenn man unterstellt, dass bei großkronigen Laubbäumen ein Pflanzabstand von 10 m gewählt wurde, kommt man bei beidseitiger Pflanzung (505 m : 10 m = 50,5 Bäume x 2 = 101 Bäume für 2016 und 965 m : 10 m = 96,5 Bäume x 2 = 193 Bäume für 2015) auf ca. 100 bzw. 190 bis 200 gepflanzte Bäume in diesen beiden Jahren. Da man davon ausgehen kann, dass jährlich im Landkreis etwa 600 Bäume an Bundes- und Landesstraßen gefällt werden und im Durchschnitt nur ungefähr 150 Bäume pro Jahr gepflanzt werden, bleibt ein Negativsaldo von 75 % bezogen auf den Landkreis Oder-Spree.
Wenn § 29 Abs. 2 des BNatSchG auch nur von einer „angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzung oder zur Leistung von Ersatz in Geld“ spricht, scheint die derzeitige Verfahrensweise dem nicht gerecht zu werden. Daran kann auch die Alleenkonzeption des Landes Brandenburg nichts ändern, da sie einerseits weder über dem BNatSchG noch über dem BbgNatSchAG steht und andererseits die sich daraus ergebende Verpflichtung der Nachpflanzung von 30 km Alleen je Jahr im gesamten Land Brandenburg letztmalig 2012 knapp erfüllt wurde. Seitdem nicht mehr, teilweise waren die Unterschreitungen auch hier extrem (2016: 14,9 km; 2014 sogar nur 7,7 km)!

Im Übrigen stellt selbst § 27 Abs. 1 BbgStrG fest, dass dem Natur und Landschaftsschutz Rechnung zu tragen ist. „§ 17 des Brandenburgischen Naturschutzausführungsgesetzes bleibt unberührt.“ Vgl. in diesem Zusammenhang auch https://www.landtag.brandenburg.de/sixcms/media.php/5701/08-11-2010_Vereinbarkeit_Alleenkonzept_mit_BbgNaturschutzG.pdf und Urteil des OVG Branden-burg, Az. 3a A 763/01.

Nun muss zwar zugegeben werden, dass es sich nicht bei allen gefällten Bäumen um Alleebäume im Sinne des § 17 BbgNatSchAG handelt, aber auch bei Baumschutzverordnungen oder Baumschutzsatzungen handelt es sich um geltendes Recht. Allgemein muss leider festgestellt werden, dass durch Baumschutzverordnungen bzw. –satzungen geschützte Bäume hinsichtlich der Ersatzpflanzungen weitestgehend ignoriert werden.

Auch unter dem Aspekt des Klimaschutzes, hier speziell der Kohlendioxidspeicherung, ist der Erhalt des Baumbestandes nicht uninteressant (https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/service/dateien/mb-27-kohlenstoffspeicherung-2.pdf).


Frage 3
Wie viele Ordnungswidrigkeiten in Bezug auf den Baumschutz wurden in den letzten 10 Jahren im Landkreis festgestellt (bitte nach einzelnen Jahren aufgliedern)?

Antwort auf Frage 3
Ordnungswidrigkeiten mit Bezug zu Bäumen kommen relativ wenig zur Anzeige, ca. 2 bis 3 Fälle pro Jahr.

Frage 6
Können Bürgerinnen und Bürger die Ergebnisse der Baumschau einsehen? Wenn ja, wo und welche behördlichen Schritte sind zur Einsichtnahme durch Bürgerinnen und Bürger zu unternehmen? Wenn nein, warum nicht?

Antwort auf Frage 6
Zunächst gibt es ein Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände. Als weitere Informationsquelle kann die Alleebaumstatistik angesehen und ggf. auch Akteneinsicht beantragt werden. Die Erfahrungen mit der Beteiligung der anerkannten Naturschutzverbände zeigen jedoch, dass nicht die Fällung der Bäume das Problem ist, insbesondere deshalb nicht, weil sofort vor Ort die Schadsymptome erläutert werden. Das Verständnis für die Entscheidungen ist dann durchaus vorhanden. Es fehlen aber die erforderlichen Ersatzpflanzungen, diese sind jedoch nicht Bestandteil der Baumschau.

Frage 7
Ist es sinnvoll, dass die Verantwortung für den Baumschutz beim Landkreis liegt oder wäre eine Brandenburgische Baumschutzverordnung, wie vor 2010 besser? Hat sich die Baumbilanz im Vergleich dazu, eher verbessert oder verschlechtert?

Antwort auf Frage 7
Bei der Bearbeitung der Baumfällanträge gibt es keinen signifikanten Unterschied bezüglich der Frage, ob es sich um eine kreisliche Baumschutzverordnung oder eine Landesverordnung handelt.

Frage 8
Wie werden die Neupflanzungen finanziert?

Antwort auf Frage 8
Ersatzpflanzungen hat in der Regel der Antragsteller zu finanzieren, der ja normalerweise auch Eigentümer ist. Bei Pachtgrundstücken müssen sich Pächter und Eigentümer eben privatrechtlich einigen.

Frage 9
Hat der Landkreis in den letzten 10 Jahren neue Alleen oder einreihige Baumreihen angelegt? (Wenn ja, bitte auflisten.)

Antwort auf Frage 9
Durch den Landkreis wurden 2017 an der K6718 60 Bäume und der K6744 76 Bäume gepflanzt. Für 2018 wurden Pflanzungen an der K6727 (60 Bäume) und der K6744 (80 Bäume) vorgenommen.

Frage 10
Wie kann der Baumschutz im Landkreis, aus Ihrer Sicht noch verbessert werden? 

Antwort auf Frage 10
Die Bilanz des Landesbetriebes Straßenwesen bezüglich der Ersatzpflanzungen muss deutlich verbessert werden, um den Alleenbestand im Landkreis langfristig zu sichern.

Am 26. Mai 2019 ist Kreistagswahl. Wir von Bündnis 90/Die Grünen werden uns weiterhin für den Baumschutz im Landkreis Oder-Spree einsetzen.

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