31. Dezember 2012

Gäste unerwünscht (Glosse up for grabs)


Miniaturlebkuchenhaus als möglicher Trostpreis für nach Hause geschickte Gäste.

(Eine Beobachtung an Weihnachten 2012)           

Wenn es an den Weihnachtsfeiertagen hoch her geht in einem unserer lokalen Restaurants, dann kann man schonmal auf der Angebotstafel vor dem Wirtshaus am 1. Weihnachtsfeiertag das folgende Weihnachtsmenü lesen: „Nur auf Bestellung“.

Sage nicht alles was Du weißt, aber wisse immer was Du sagst.“, diese Weisheit hatte schon der deutsche Lyriker Matthias Claudius (1740-1815) veröffentlicht, denn manchmal ist es für die eigene Wahrung des Images besser, Dinge für sich zu behalten und sich darüber Gedanken zu machen, wie man sich in der Öffentlichkeit über mögliche Probleme rechtfertigen kann.

Das erwünschte Szenario eines Restaurants: Alle Stühle sind besetzt und die besorgten Weihnachtsgänse sind ausverkauft, könnte man freudestrahlend annehmen und im nächsten Jahr entweder durch zusätzliche Gänse, Tische, Säle, Stühle oder längere Öffnungszeiten lösen. Dem Problemfall „Gast“, der ohne Reservierung ein voll ausgebuchtes Restaurant betritt, könnte man in einem persönlichen Gespräch folgende Lösungen anbieten:

a)    Zwei Personen sind bei den bestellten Tischen nicht erschienen. Hier und da kreativ einen Tisch und Stuhl verschoben und der Gast darf sich setzen.
b)    Der Gast kann in ein bis zwei Stunden wiederkommen, da spätestens bis dahin mindestens ein Tisch frei wird.
c)    Die Gänsekeulen sind aus: Der Gast darf etwas anderes à la carte essen obwohl Weihnachten ist.
d)    Der Gast darf an der Bar warten, bis ein Tisch frei wird. Kaffee geht derweil aufs Haus.
e)    Der Gast darf an der Bar essen.
f)     Dem Gast werden persönlich die Öffnungszeiten für den nächsten oder übernächsten Tag mitgeteilt. Man freut sich auf seinen Besuch und wünscht frohe Weihnachten.

Die Lösungsvarianten könnte man hier ewig weiter aufzählen, immer mit dem gleichen Ergebnis: Der Gast wird in Zukunft hier Geld ausgeben.

Wenn aber 100 % der vorbeilaufenden Menschen die „Werbung“ auf der Angebotstafel: „Nur auf Bestellung“ lesen, dann werden sie weder diese noch kommende Weihnachten einen Fuß in dieses Etablissement setzen, welches öffentlich seine Angst vor zu vielen Gästen zur Schau stellt und dem es dementsprechend an gutem Willen fehlt.

Hier noch ein Lösungsvorschlag für den Text, der auf die Angebotstafel geschrieben werden kann, selbst wenn alle Stricke reißen: „Frohe Weihnachten!“. 


20. Dezember 2012

Was ist Bollywood?

Mit Bollywoodstar Shilpa Shetty im Jahr 2007.
(Foto: Anja Grabs)



von Anja Grabs (ehemalige Hobby-Bollywoodtänzerin)


Bollywood ist das indische Pendant zu Hollywood, wobei das "B" für Bombay (heute: Mumbai) steht. Außerdem werden Bollywood-Filme auch Hindi-Filme genannt, insbesondere dann, wenn man sie nicht mit der amerikanischen Filmindustrie vergleichen will.

Bollywood-Filme sind für die Inder im Grunde genommen nur ein Vorwand, um Musicals drehen zu können. Denn es handelt sich fast ausschließlich um Filme mit eingebauten Tanzszenen. Dabei ist es für die Schauspieler auch kein Geheimnis, dass sie die Songs nicht selber singen sondern nur ihre Lippen zum Playback bewegen. Die Sänger werden als eigene Stars im Hintergrund in Indien verehrt.

Länge
Der klassische Bollywood-Film geht mindestens 3,5 Stunden lang, also mehr als doppelt so lange wie die meisten westlichen Filme mit ihren durchschnittlichen 90 Minuten Spielzeit.
Die lange Spielzeit hat mehrere Gründe. Während westliche Filme eine Handlung mit einem guten, bösen oder auch gar keinem Ende aufhören, müssen gute Bollywood-Filme neun Geschmacksrichtungen befriedigen. Bollywood-Filme sind immer Familienfilme und um alle Familienmitglieder zu befriedigen, kommen deshalb diese Dinge vor: Liebe, Kummer, Wut, Schrecken, Ekel, Heldentum, Komödiantisches, Wundersames und Friedliches. Der "Ekel" in den Filmen, wird meist mit Autounfällen oder Schlägereien abgedeckt, wobei gerne Blut gezeigt wird. Das muss natürlich alles erstmal in einem Film untergebracht werden. Dazu kommen die Tanzeinlagen, wegen denen die Inder fast hauptsächlich das Kino überhaupt erst betreten. Deswegen sind die Handlungen in den Filmen auch komplexer als wie wir sie aus westlichen Filmen kennen. Der erste Teil vom Film enthält ein Ende, wonach in der Mitte des Filmes das Wort "Intermission" eingeblendet wird, welches in Kinos gerne als Toilettenpause benutzt wird. In der zweiten Filmhälfte ändert sich nochmal alles und am Ende des Filmes kommt das hauptsächliche "Ende".

Dance
Beim Bollywood-Tanz wird an nichts gespart, da er das wichtigste am ganzen Film ist. In allen wichtigen Szenen erscheint auf der Bildfläche oft ein Tanz, der für westliche Kulturen manchmal verstörend wirkt, weil der Schauspieler zum Beispiel gerade noch etwas gesagt hat und plötzlich ist er an einem anderen Ort am Tanzen. Diese manchmal unlogische Abfolge ist aber auch typisch für westliche Musicalfilme.
Beim Bollywood-Dance tanzt meist eine Gruppe Frauen mit einer Haupttänzerin gegenüber einer Gruppe Männer mit einem Haupttänzer. Die Haupttänzer singen dann auch Playback. Die Kostüme sind dabei typisch indisch, zum Beispiel tragen die Frauen Saris, die Männer gerne Turban. Je mehr Tänzer desto besser. Es geht darum, optisch mit aufwendigen und farbenfrohen Kostümen in der Masse der auftretenden Tänzer zu beeindrucken. Die Frauen tanzen oft barfuß und tragen von Kopf bis Fuß viel Schmuck. Haarschmuck, Ohrschmuck, Ketten und jede Menge Armreifen sowie Fußglöckchen. Von den Fußglöckchen der Frauen singen die Männer auch gerne als besonders attraktives Kennzeichen einer indischen Tänzerin. Die Haare der Frauen sind meistens doppelt so lang, wie die Haare von westlichen Frauen, also bis zum Hintern und auch darüber hinaus. In klassisch geflochtenen Zöpfen wird die Haarlänge beim Tanzen gerne besonders zur Schau gestellt, wenn sich eine Frau dreht und sich der Zopf dabei um ihren Körper wickelt. Manchmal ist der Zopf auch so lang, das er am Sari hinten, über dem Hintern, festgesteckt wird. Beim Make-up wird nicht gespart. Die Haut der Frauen muss makellos sein und es wird alles benutzt, was es gibt, auch sehr gerne künstliche Wimpern.

Gestik und Mimik
Beim Singen wird gerne die Gestik und Mimik zu Hilfe genommen, um die Gefühle auszudrücken. Dabei wird zum Beispiel bei der Geste "Daumen hoch" der Daumen gedreht, was dem Gegenüber zeigen soll, das man ihn mag. Es gibt noch zahlreiche weitere Gesten, die ich aber hier schriftlich schwer erklären kann. Das Herunterbeugen und Berühren der Füße vom Gegenüber ist ein Ausdruck in Indien von Unterwerfung und Respekt und wird gerne bei älteren oder ranghöheren Personen gemacht. Diese wiederum ziehen den "Untergebenen" oft nach oben, um ihn davon abzuhalten und halten ihre Hand über den Kopf des anderen und sagen so etwas wie "Ich segne Dich". Füße gelten in Indien als unrein und diese zu berühren ist daher eine sehr respektvolle Geste. Oft wird nach dem Berühren die Hand noch zum Herzen geführt.

Tränen
Genau wie beim Playback-Gesang verzichtet man auf eigene Leistung. Die Schauspieler müssen nicht alleine durch schauspielerisches Können auf Knopfdruck weinen. Es gibt so viele Tränen in den Filmen, so dass unter anderem mit Tigerbalsam nachgeholfen wird. Dadurch sind die Augen auch oft rot unterlaufen, was noch authentischer aussieht.

Küssen
Kussszenen gibt es so gut wie überhaupt nicht, da es Familienfilme sind, die auch Kinder sehen und auch sonst die indische Frommheit in diesem Punkt siegt. Intime Szenen werden allerdings gerne angedeutet indem der Mann die Stirn oder den Hals der Frau küsst oder ihr sonst auch sehr nahe kommt. Das "Knistern" das dadurch sichtbar gemacht wird, ist außerdem erotischer als ein einfacher French-Kiss.

Punkt
Der rote Punkt auf der Stirn bedeutet nicht, dass derjenige verheiratet ist sondern er wird im Hinduismus während der religiösen Rituale von einer anderen Person auf die Stirn gebracht. Insbesondere auch an religiösen Feiertagen. Eine verheiratete indische Frau erkennt man an einem roten Pulver, das über ihre Stirn zwei bis drei Zentimeter in ihren Haarscheitel hineingestrichen wird.

Ruhm
Den Ruhm der indischen Filmstars kann man mit den amerikanischen Filmstars nicht vergleichen. In Indien werden die Filmstars von den Fans extrem vergöttert. Das Anfassen eines erfolgreichen Stars bringt Glück und somit sind es die männlichen Filmstars gewöhnt, von männlichen Fans angefasst zu werden. So sind die Schauspieler meist sehr menschennah und verteilen großzügig hand-shakes. Das Anfassen vom anderen Geschlecht wird in Indien nicht öffentlich praktiziert.

Boom
Der Boom der Bollywoodfilme in Deutschland fand mit Importen statt, die im Jahr 2004 synchronisiert auf RTL2 liefen. Insbesondere romantisch veranlagte Frauen in westlichen Ländern lieben die Filme. Viele westliche Menschen empfinden sie als zu kitschig, da die Songtexte hierzulande extrem ungewohnt blumig sind.
In der westlichen Welt sind die Frauen emanzipiert und selbstständig, wodurch klassische Rollenbilder fast verpönt werden. In Indien wird die Schönheit der Frau regelrecht zelebriert, sicher auch ein Grund warum aus Indien so viele "Miss World" stammen. Die männlichen Helden in den Filmen sind dagegen oft kämpferisch und selbstbewusst. Sie kämpfen um ihre Auserwählte und versuchen alles, um sie herum zu kriegen. Hierzulande könnte man das auch als Stalking bezeichnen, aber in Indien ist das die klassische Brautwerbung. Bei uns sind Traditionen verschwunden, nach denen sich viele Menschen unbewusst sehnen. Bollywood-Filme sind geradezu geschwängert mit Traditionen und auch mit Problemen, die uns hier unbekannt sind und uns daher faszinieren.

Frauenheld
Der größte Star in Indien ist zur Zeit Shah Rukh Khan, der 1965 geboren wurde. Er wird zur Zeit langsam von einem jüngeren Kollegen abgelöst, der zukünftig das Image des größten Frauenheldes einnehmen wird. Shah Rukh Khan sieht ihn nicht als Konkurrenten an, sie haben auch schon gemeinsam in Filmen gespielt. Jede Generation hat ihren Frauenhelden. Früher war es zum Beispiel Amitabh Bachchan, der 1942 geboren wurde und bis heute oft die Vater- oder Großvaterrolle in Filmen spielt. Shah Rukh Khan behauptet von sich selbst, kein besonders guter Schauspieler zu sein. Dies mag stimmen, denn das Charisma ist in Hindi-Filmen viel wichtiger und er kann so spielen, dass sich Frauen in ihn verlieben. Er ist ein großartiger Tänzer und bekommt Choreografien, die auf seine Person zugeschnitten sind.

Aishwarya Rai war einmal Miss World aus Indien und ist eine der bedeutendsten Schauspielerinnen in Indien zur jetzigen Zeit. Aus meiner Sicht ist sie die schönste Frau aller Zeiten :) Hier ein Song aus dem Film "Devdas":

Und hier Shah Rukh Khan:

19. Dezember 2012

Beste Kamera

Gestern sah ich mir nach Jahren wieder den Film "Slumdog Millionaire" im TV an. Vor allem, weil ich über ein Jahr lang Bollywood-Dance getanzt habe und daher ein großer Fan von indischen Filmen bin. Und dann erinnerte ich mich: Ich kenne keinen Film, der eine bessere Kameraführung hat. Unter anderem werden die Kinder auf Augenhöhe oder unter Augenhöhe gefilmt und völlig neue Blickwinkel auf Szenen benutzt. Dabei finde ich nicht, dass man hauptsächlich in die Szene eintaucht (was man auch tut). Vielmehr wirken die Szenen dadurch "cool" und das zu schaffen ist eine wahre Kunst. Und so hat er unter anderem wegen "Beste Kamera" Oscars kassiert. Acht Stück an der Zahl. Deswegen will ich hier mal eine Hommage abgeben an diesen Film, der mit einer Szene beginnt, die voller Energie steckt und dessen Musik die Bilder nicht besser unterstreichen könnte. Es beginnt mit den Slum-Kindern, die vor der Polizei fliehen und dessen Song ich so sehr liebe (Achten Sie auf den Blickwinkel vor dem Hund, der aufsieht, als die Kinder vorbeilaufen):

 

16. Dezember 2012

Das Leben des Gerhart Hauptmann in Erkner

Gab es eine Verbindung zwischen Gerhart Hauptmann und der NSDAP? Wie war Gerhart Hauptmann als Mensch? Diese und weitere Fragen beantworten hier:
Sein Biograf (Prof. Dr. Rüdiger Bernhardt) sowie seine Enkelin (Ingeborg Hauptmann).

Kappstrom TV ist ein erweitertes Angebot der Lokalzeitung Kappstrom für den Südosten Brandenburgs.

Dieser Kanal lebt vom Mitmachen: Teilen Sie uns Ihre Vorschläge für Berichterstattungen mit: info@kappstrom.de

Moderation: Anja Grabs
Kamera & Schnitt: André Organiska

6. Dezember 2012

Die Grenze zwischen Gosen und Berlin (Glosse up for grabs)


Vor über 200 Jahren nutzten die Wernsdorfer Fischer den Kappstrom, um ihre Fische bis nach Berlin auf dem Wasserweg transportieren zu können. Die Gosener wollten hier aber keine fröhlichen Fischer sehen und so bauten sie regelmäßig Dämme, um die Wernsdorfer auf ihren Handelswegen zu schikanieren. Dies führte zu einem Dauerkrieg. Gosen war auch immer gegen Neu Zittau und Neu Zittau wiederum gegen Gosen und beide Orte gemeinsam aber immer im Team gegen Wernsdorf. Warum weiß man nicht.
Später wurde Gosen zum geheimen Heimatort der Stasi, weil man sich in den Gosener Bergen verstecken konnte und trotzdem ruck zuck in Berlin war. Soviel erstmal zur vergangenen Infrastruktur von Gosen.

Vor kurzem erst sollte die Fahlenbergbrücke zwischen Gosen und Berlin saniert werden, aber während der Bauarbeiten merkte man, dass dies nicht geht. Die marode Brücke müsste komplett abgerissen werden und neu aufgebaut werden. Das würde bedeuten, dass, im wahrsten Sinne des Wortes, die Brücke zwischen Gosen und Berlin zerstört werden würde. Wie lange der Neubau der Brücke dauern würde ist ungewiss. Man müsste riesige Umleitungen fahren, um einen Eingang nach Berlin zu finden. Die Infrastruktur wäre stark zerstört. Vorsichtshalber fragte der Kappstrom beim Bauunternehmen nach und erhielt die Antwort: „Niemand hat die Absicht, eine Brücke abzureißen!“

Parallel zu der Angst die Brücke zu Berlin zu verlieren, reduziert sich der Busverkehr auf ein absolutes Minimum. Es gibt in einem Zeitraum von 12 Monaten im Durchschnitt insgesamt nur 2,3 Fahrgäste und man fragt sich, wie sich das rentieren soll. Schließlich kostet das Dixieklo neben der Bushaltestelle „Gosen, Eiche“ auch Geld. Und so werden die Zeiten zwischen den Fahrzeiten vergrößert und die Anzahl der erscheinenden Busse verringert und sobald es dunkel wird werden die Bordsteine hochgeklappt, die Laternen ausgepustet und der letzte Bus darf nach Hause fahren, aber nicht bevor sich Fuchs und Hase Gute Nacht gesagt haben.

Und weil Gosen seit seiner Gründung keine Verbindung zu Berlin aufbauen wollte, tut man heute auch so, als ob die Busse hier nur noch als eine Fata-Morgana-Erscheinung auftauchen, da ihre Existenz so unwichtig ist, wie Wasser in der Wüste. Und da das Ableben der Busverbindungen zu Berlin vorprogrammiert ist, dürfen die Bushaltestellen bereits jetzt langsam vergammeln, da man sie zukünftig eh abreißen wird. Es soll Ortsbeiräte geben, die seit Beginn ihrer Amtszeit (die in 1,5 Jahren rum ist) nicht in der Lage sind, eine einzige Bushaltestelle sanieren zu lassen. Die Angst vor erneutem Vandalismus kann so lähmend sein, dass man den ersten Schritt zur Besserung nicht wagen will. Und so werden 99.99 % der Einwohner dafür bestraft, dass weniger als 0,1 % der Einwohner eventuell, vielleicht potentiellen Vandalismus ausüben könnten, obwohl die Gemeinde durch Nichtstun die Vandalisten bestrafen will und nicht die Mehrheit der Einwohner.

Und so klebt seit über 250 Jahren Gosen an Berlin dran und trotzdem haben die meisten Berliner noch nie von unserem Ort gehört. Niemand ist eine Insel, außer Gosen.


Jetzt Neu: Kappstrom TV

Es gibt Dinge, die kann man nicht in Worte fassen. Und so gründeten wir Kappstrom TV als Lokalnachrichtensender für den Südosten Brandenburgs. Sie können den Kanal abonnieren und erhalten dann umgehend eine Benachrichtigung per E-mail, wenn neue Nachrichtensendungen hochgeladen werden.

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Und hier unser 1. Video: