13. Oktober 2012

Insektenhotels sind kein Artenschutz


Typisches Insektenhotel
von Anja Grabs und Prof. Dr. Holger H. Dathe

Insektenwände, die gern auch als „Wildbienenhotels“ bezeichnet werden, spielen keine Rolle im Artenschutz bei Wildbienen, so Prof. Dr. Holger H. Dathe im Gespräch mit der Naturschutzbeirätin Anja Grabs.

Der Entomologe (Insektenkundler) war bis 2010 Direktor des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts in Müncheberg, welches eine der großen Sammlungen von Wildbienen weltweit beherbergt. Als Sohn von Heinrich Dathe, dem langjährigen Tierparkdirektor von Berlin, studierte er zuerst Biologie an der Humboldt-Universität Berlin, um dann später dort als Dozent das Fach Tierphysiologie/Verhaltensbiologie zu unterrichten. Zu seinen wissenschaftlichen Arbeitsgebieten gehört unter anderem der Artenschutz von Wildbienen mit einem besonderen Augenmerk auf die Maskenbienen (Hylaeus sp.). Im Jahr 2000 verfasste er gemeinsam mit Christoph Saure die Rote Liste der Bienen des Landes Brandenburg. Die Beiden stellten insgesamt 383 Arten für Berlin und Brandenburg fest, das sind rund 70 % der aus Deutschland insgesamt bekannten 550 Arten. Diese große Anzahl weist deutlich auf eine hohe ökologische Bedeutung dieser Tiere für die Erhaltung der Vielfalt von Wildpflanzen hin, denn sie tragen wesentlich zu deren Bestäubung bei.

Anja Grabs interessiert sich insbesondere für den praktischen Wildbienenschutz. Sie organisierte 2009 eine Fotokartierung von Wildbienen in Brandenburg für Naturfreunde (www.wildbienen.blogspot.de).
Kritisch beobachtet sie seit Jahren die Versuche von Naturschützern, etwas für die Wildbienen zu tun. In den meisten Fällen werden dazu Insektenwände an Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen wie auch im Privatbereich aufgestellt. „Insektenwände sind eine nützliche Maßnahme – für den Menschen“, so Dathe. Sie bieten einzigartige Möglichkeiten zur eigenen Beobachtung. Auf einprägsame Weise kann so die Motivation gefördert werden, sich intensiver mit Wildbienen auseinanderzusetzen. Ohne Zweifel sind diese künstlichen Nistwände wichtig für die Umweltbildung. Im direkten Schutz von bedrohten Wildbienenarten aber, spielen sie keine Rolle. Im Bundesgebiet gelten derzeit 52 % der Wildbienenarten als bestandsgefährdet, und 25 Arten sind direkt vom Aussterben bedroht. In die Nistwände gehen nur einige der zahlreichen Arten, und das sind meist häufige Kulturfolger. Ungefähr drei Viertel aller Arten in Deutschland nisten im Boden. Das wesentlichste Mittel zum Schutz nützlicher Insekten ist der Biotopschutz und allgemeine Umweltschutz.

Während es für Schmetterlingskundler gut organisierte Plattformen gibt, in die man auch als Laie problemlos einsteigen und sich am Monitoring beteiligen kann, wird es für Wildbienenfreunde schon schwieriger, da zur genauen Artfeststellung von Wildbienen die Beobachtung in der Natur nicht ausreicht. Die Zahl der Arten ist groß, viele sind körperlich klein und unterscheiden sich nur an wenig deutlichen Merkmalen. Für eine sichere Identifikation muss man die meisten Tiere, mit Ausnahme der Hummeln und weniger anderer Arten, unter einem Mikroskop untersuchen. Um die Tiere einzufangen, zu töten und zu präparieren ist eine amtliche Ausnahmegenehmigung erforderlich. Auch die Schaffung einer eigenen Vergleichssammlung wäre hilfreich. Anders als bei Schmetterlingen und Käfern gibt es für aktive Sammler von Wildbienen jedoch keine Weiterbildungen, etwa durch örtliche Vereine, so dass man sich sein Wissen autodidaktisch aneignen muss.

Das Senckenberg Deutsche Entomologische Institut in Müncheberg bietet hier eine Anlaufstelle für Freizeitforscher. Eine Bildbestimmung wie bei Faltern ist für Bienenarten kaum möglich, und auch in die Bestimmungstabellen muss man sich erst einarbeiten. Die Hauptmethode bei der Identifikation von Bienen besteht im Vergleichen mit sicher bestimmten Exemplaren. In dem Institut erhält man nicht nur Zugang zu der großen Wildbienensammlung, man kann darüber hinaus auch vorhandene Mikroskope sowie Bestimmungsliteratur aus der Bibliothek vor Ort nutzen. Wenn man sich am Monitoring von Wildbienen beteiligen möchte, kann man sich gerne an das Institut in Müncheberg wenden (www.senckenberg.de). Derzeit hat die internationale Naturschutzorganisation IUCN von Brüssel aus eine europaweiten Vernetzung von Schutzmaßnahmen für Bienen eingeleitet.

Wer Freude an der Naturbeobachtung hat, gern Naturmotive fotografiert und sich bilden möchte, wird am Aufstellen von Insektenwänden profitieren. Viel wichtiger für die wilden Bienen selbst sind der Verzicht auf Herbizide sowie das Umwandeln von monotonen Rasenflächen in artenreiche Wildblumenwiesen durch ein- oder zweimaliges Mähen im Jahr, so waren sich die beiden Liebhaber der Wildbienen einig. 

Prof. Dr. Holger H. Dathe vor einem Teil der Wildbienensammlung im
SENCKENBERG Deutsche Entomologische Institut

Bombus lapidarius: Exemplare der Steinhummel




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