In Ortsbeiräten oder Gemeindevertretersitzungen spielen die Gäste die Hauptrolle. Es könnte sein, dass solche Sitzungen überhaupt nicht stattfinden, wenn keine Gäste erscheinen. Die Gemeindevertreter finden sich im Raum ein und wenn nach der akademischen Viertelstunde kein Gast erschienen ist, geht man wieder.
Als es vor Jahren um ein Gerücht ging, dass die Gosener Kita geschlossen wird, erschienen erfreulicherweise die meisten Gäste, die man hier je bei einer Sitzung gesehen hat. Eltern der Kita ließen ihre Kinder entweder allein zu Hause, besonders solche, die den Namen Kevin aufweisen oder suchten sich einen Babysitter oder und dies ist viel naheliegender: holten ihre Kinder gar nicht erst aus der Kita ab sondern ließen sie dort, um dann abends in Ruhe um 19 Uhr bei der Gemeindevertretersitzung zu erscheinen.
Man vermutet zumindest, dass es sich um Gemeindevertretersitzungen handelt, weil die Gemeinde dies gerne als GV-Sitzung abkürzt und dass GV auch Geschlechtsverkehr heißen kann, wissen vielleicht die Ein oder Anderen. Geschlechtsverkehr konnte ich nicht beobachten, stattdessen Gemeindevertreter, die erste Vermutung war richtig und kann von mir bezeugt werden.
Aber nun zurück zu den Gästen: Aufgebrachte Eltern kamen zu Tausenden hereingestürmt und es mussten Stühle herangeholt werden. Flexibilität der Gemeinde war angesagt, wo bekommt man schnell Tausende Stühle her? Alle hielten zusammen und 100 Prozent der Gosener liehen kurzerhand den Eltern Stühle aus, die sie vorher noch mit Namen und Adresse markierten damit der darauf Sitzende den Stuhl nach der Sitzung eigenhändig wieder zu seinem Besitzer einige Straßen weiter zurücktragen konnte. Die Überwältigung war riesig, die vielen Eltern passten überhaupt nicht in den kleinen Brandenburg-Raum rein, der zwar nach dem großen Land benannt wurde, aber in Wirklichkeit ein eher kleiner Raum ist.
Die Tagesordnung wurde demonstrativ zerrissen und die Bürger wurden gefragt warum sie hier sind und was sie hier wollen. Schnell kam die Antwort als Chorgesang: Der Kindergarten in Gosen wird von ein oder zwei Kindern regelmäßig besucht und es soll ein Gerücht geben, dass er eventuell vielleicht irgendwann einmal geschlossen werden soll, damit der Kindergarten in Neu Zittau dann der Hauptkindergarten der Gemeinde wird. Eltern aus ganz Deutschland sind angereist um mithilfe eines Flashmobs die Gemeinde zur Vernunft zu bringen: Kevin und Chayenne möchten gerne in Gosen bleiben und auf keinen Fall auswandern nach Neu Zittau. Der Flashmob war erfolgreich, indem die Gemeinde versprach solche Gerüchte nie wieder in die Welt setzen zu lassen, sondern stattdessen solche Pläne in Zukunft heimlich zu besprechen, damit bis zum Schließen der Kita in Gosen keine Eltern mehr zu den Höhepunkten solcher GV-Sitzungen kommen müssen.
Beim letzten Ortsbeirat wurde mein Name vollständig unter der Gästeliste im Protokoll aufgeführt. Der Protokollant kennt mich und im Dorf kennt man sich sowieso. Eine Handvoll Gäste wurden also vom Protokollführer mit vollem Namen aufgeführt, so viel Zeit muss sein. Bei einem Gast konnte der Name nicht sofort identifiziert werden, das Namensgedächtnis hat hier versagt, aber dies ist nicht schlimm, weil kurzerhand eine Phantomskizze vom unbekannten Gast dem Protokoll angefügt wurde und jetzt im Aushang an der Bushaltestelle hängt. Wer diese Person kennt, möchte sich bitte bei der Gemeinde melden.
Beim letzten Protokoll von der vergangenen GV-Sitzung wurde allerdings aufgeschrieben, dass 10 Gäste anwesend waren, die Anzahl 10 wurde ergänzt durch drei Namen. Jetzt wird vermutet, dass die Namen der Gäste nur dann erwähnt werden, wenn nur unter 10 Gäste anwesend sind. Bei 10 Gästen und darüber wird lediglich die Anzahl aufgeschrieben und drei Namen werden daneben geschrieben. Ob es sich dann um 10 Gäste gehandelt hat oder um 13 Gäste weiß man nicht mehr. Wichtig ist nur die Auswahl der Namen der drei Gäste. Warum wurden sie aufgeführt und nicht die Namen aller Anwesenden? Es gibt hier mehrere Theorien: Entweder handelt es sich um Personen, die ein besonderes geheimes V.I.P. Geld bezahlt haben, um namentlich genannt zu werden oder um Gäste von denen der Protokollant vermutet, dass sie eventuell V.I.P.'s sein könnten oder um drei Gesichter in der ersten Reihe der Gäste die man 1. schnell erkannt hat und 2. ganz genau weiß wie die Namen geschrieben werden. Während ich beim vorletzten Protokoll mich noch darüber pekierte, dass es doch bitte Datenschutz ist und ich überhaupt nicht namentlich genannt werden möchte, bin ich jetzt ein bisschen beleidigt, weil drei andere Personen aus den Gästereihen benannt wurden und ich nur in der Zahl „10„ auftauche.
Wie man es macht ist es verkehrt.
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